Interview mit Steffen Erath

Mit Spieltrieb zur Marktreife: Innovationsmanagement bei Hansgrohe

Jetzt sitzen sie hier schon seit Stunden: skizzieren, malen und kleben gelbe Zettel an die Wände. Der ganze Raum ist tapeziert. Steffen Erath kippt die Legokiste aus, steckt bunte Steine ineinander und zeigt sein Werk in die Runde. „So könnte der Prototyp aussehen.“ Grinsen, Nicken. Eine Idee um die andere entsteht. Die Gruppe ist im Flow. So sieht gelebtes Innovationsmanagement bei Hansgrohe aus.

Wie sieht das Bad der Zukunft aus? Steffen Erath (links) und sein Team stellen sich diese Frage täglich aufs Neue.

Innovatives Unternehmen: „Stillstand bedeutet für Hansgrohe Rückschritt.“

Steffen Erath ist Innovationsmanager. Wie sieht das Bad der Zukunft aus? Erath und sein Team stellen sich diese Frage täglich aufs Neue. Im Gespräch erklärt er, was Innovation in der Hansgrohe Group heißt:

Steffen Erath, ist eine spielerische Atmosphäre das A und O bei der Entwicklung von Produktideen und Zukunftskonzepten?

Steffen Erath (S.E.): Wir wollen unsere Innovationsteams tatsächlich in einen Flow-Modus bekommen. Was das bedeutet, kennen wir alle aus der Kindheit: Wir waren mit einer Sache so intensiv beschäftigt, dass wir alles andere ausblenden konnten. Diese Fokussierung ist in der Arbeitswelt extrem zielführend. Heute dominiert ja oft das Multi-Tasking. Neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge  (vgl. Dr. Volk Busch, „Brain2B“) arbeitet der moderne Büromensch durchschnittlich 10,5 Minuten am Stück ungestört, dann kommt die nächste Unterbrechung. Das bedeutet: Die meisten Menschen werden Tag für Tag unzählige Male aus ihrer Arbeit herausgerissen. Das kann nicht effizient sein.

Sie schließen sich also ein – fernab der Smartphone-Hektik – und brüten neue Themen aus. Welche Techniken und Methoden wenden Sie dabei an?

S.E.: Wir arbeiten oft im „Sprint-Modus“, das heißt: Ein interdisziplinäres Team sitzt tagelang über einer konkreten Frage. Oft sind Externe, Kunden oder unsere Designpartner von Phoenix Design mit an Bord.

Selbst, wenn es um digitale Geschäftsmodelle geht, sind unsere Werkzeuge analog: Scribbles und Post-its sind am einfachsten. Die ersten Lösungsansätze visualisieren wir schnell mit Prototypen; das schafft ein besseres Verständnis. Ein „Innovation Facilitator" coacht die Gruppe. Sie oder er leitet uns methodisch an, und das wichtigste Werkzeug dabei ist der „Time-Timer“. Denn auch im Flow-Zustand hilft eine Verknappung der Zeit, um sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Der Methodenbaukasten umfasst sämtliche agilen Arbeitsweisen wie „Lean-Startup“, „Design Thinking“ oder „Scrum“.

Helfen Ihnen diese Methoden, aus guten Ideen Produkte zu entwickeln, die Sie dann auch schnell auf den Markt bringen?

S.E.: Es gibt bei uns einen klar definierten Innovationsprozess, und der ist angelehnt an die Arbeitsweise von Start-ups, sprich: Die Teams genießen große Freiheit in der Erarbeitung von Konzepten. Bei diesem innovativen Geschäftsmodell gibt es alle drei Monate fixe Meilensteintermine, in denen die Teams Fortschritte präsentieren. Ein „InnovationBoard“ entscheidet, ähnlich einem Investor, welche Konzepte wir weiter verfolgen oder stoppen.

Wie lange dauert ein Innovationszyklus bei Hansgrohe im Schnitt?

S.E.: Idealerweise dauert der Prozess von der ersten Idee bis zum ersten Prototypen drei Monate. Danach weitere sechs bis zum ersten Markttest. Sagen wir: Das wäre der optimale Prozess ohne Iterationsschleifen, das heißt: wenn alles ohne Komplikationen verläuft. Tatsächlich sind Komplikationen aber erwünscht: Sie helfen, die Lösung Stück für Stück zu verbessern. Dadurch kann sich die Entwicklungszeit verlängern, aber so steigt auch die Erfolgswahrscheinlichkeit.

Wie viel Prozent machen Neuprodukte im Gesamtsortiment aus?

S.E.: Unser Vitalitätsindex beträgt circa 30 Prozent. Das bedeutet: Wir machen ein Drittel unseres Umsatzes mit Produkten, die maximal drei Jahre alt sind.

Wie wichtig sind Innovationen für die Hansgrohe Group überhaupt? Könnte ein international so etabliertes Unternehmen nicht auch von seinen Longsellern und guten Erfindungen der letzten Jahrzehnte leben?

S.E.: Stillstand bedeutet für Hansgrohe Rückschritt. Das Unternehmen möchte auch in Zukunft schneller wachsen als der Markt. Wir sehen gerade in allen Branchen, dass sich die Zeiten ändern. Bisher konnten Unternehmen überdurchschnittliches Wachstum mit schrittweisen Verbesserungen erzielen - also mit inkrementeller Innovation. Aber künftig führen wohl eher radikale Sprünge zu neuen Erfolgen.

Allerdings: Ohne das profitable Kerngeschäft funktionieren auch visionäre Konzepte nicht. Zukunft baut auf Tradition. Bei Hansgrohe brauchen wir beides: a) Mitarbeiter wie im Innovationsmanagement, die den Status Quo ständig hinterfragen und neue Wachstumsmöglichkeiten jenseits des Kerngeschäfts suchen, und b) Mitarbeiter, die das Bisherige optimieren. Das Eine geht nicht ohne das andere.

 

Hansgrohe Innovationen im „Innolab“: Epizentrum des Schwarzwälder Tüftlertums

Kreativität muss fließen, und das tut sie nicht unbedingt von 9 bis 17 Uhr in einem Großraumbüro. Um bei der Produktentwicklung neue Wege auszuprobieren, gründete Hansgrohe 2017 das Pilotprojekt „Innolab“: eine Ideenschmiede, etwas abseits des Stammsitzes gelegen, aber immer noch im Herzen des Schwarzwalds.

Das Umfeld ist experimentell, die Räume gleichen einer Kreativwerkstatt. Hier, in Schramberg, auf dem Gelände der legendären Uhrenmanufaktur Junghans, genießen die Entwickler Freiraum für Kreativität. Vom traditionellen Erfindergeist beflügelt, sprudeln im Innolab nun visionäre Zukunftsideen. Der Aufwand lohnt sich: Hier wurden die digitalen hansgrohe Produkte aus der Taufe gehoben – ausgeklügelte und multisensorische Programme, die eine neue Ära des Duschens einläuten.
„Innovationsmanagement betreiben wir bei Hansgrohe, um die Lebensqualität des Einzelnen zu verbessern. Anders gesagt: Im Mittelpunkt unserer täglichen Arbeit stehen der Mensch und seine Bedürfnisse.”
Steffen Erath, Head of Innovation & Sustainability, Hansgrohe SE

Innovationsmanager: Ein Job bei Hansgrohe

Unkonventionelle Denker mit gutem Bauchgefühl

Gute Ideen aus dem Hause Hansgrohe finden sich millionenfach in den Bädern und Küchen dieser Welt. Manche sind aus Geistesblitzen heraus entstanden, viele aus strukturiertem, wissenschaftlichem Arbeiten. Steffen Erath ist Diplom-Wirtschaftsingenieur und schon seit seinem BA-Studium im Unternehmen, wo er als Produktmanager begann. Das Beste an seinem Job bei Hansgrohe sei die Magie des Neuen, sagt er.
Fokus: Innovation
Neue Entwicklungen
Story
Brausen-Start-up aus dem Schwarzwald